Kristina Palme und Håkan Sandstedt haben es wieder getan: Einen neuen Krimi fertiggestellt.
Der wird jetzt gerade noch durch alle Mühlen der Veröffentlichung gedreht, aber im Februar ist es dann soweit. Und er liegt uns natürlich entsprechend vor. Wir haben mit den beiden gesprochen – über Schreiben in der Krise und gemeinsames Schreiben auf Distanz.
AK: Die Arbeit an eurem neuen Roman haben euch ziemlich geschlaucht – was waren die Herausforderungen?
Kristina Palme: Unter den Bedingungen des letzten Jahres zu schreiben, ist grundlegend ja schon keine Freude. Aber dann hat uns die Technik auch noch im Stich gelassen. Håkan und ich haben die Geschichte ziemlich aufwändig konstruiert. Und dann hat die Technik versagt.
Håkan Sandstedt: Wie haben viel mit einem Tool namens Mural gearbeitet. Ich war in meinem Ferienhaus im Sommer, Kristina in ihrem. wir hatten das zuvor alles penibel getestet, um den Sommer zum Schreiben nutzen zu können. Und dann hatten wir teilweise tagelang kein Internet, weil die ganze Welt geskyped hat oder gezoomed oder war auch immer…
AK: Das klingt ja nicht so toll. Was habt ihr dann gemacht?
Håkan Sandstedt: Wir haben es ein wenig wie früher gemacht. Du machst ein physisches Whiteboard, fotografierst es, verschickst es. Und natürlich telefonieren wir dann einfach viel.
Kristina Palme: Wir haben dabei aber auch viel gelernt. Vor allem über unsere Zusammenarbeit und wie wir gemeinsam weiterschreiben wollen. Bei den zahlreichen Telefonaten im Sommer sind auch schon viele Ideen für eine Fortsetzung entstanden.
Håkan Sandstedt: Ja – allerdings haben unsere Partner und Kinder dadurch ein wenig viele Grausamkeiten mithören müssen.
AK: Würdet ihr generell sagen, dass euer neues Buch mehr Grausamkeiten enthält?
Kristina Palme: Schwer zu sagen. Was ist da das Maß? Die Toten einer Nacht ist ja ein Buch, das sehr stark aus der Sicht der Täter verfasst ist und viel Verständnis für die aufbringt. Die „Grausamkeiten“ finden da eher aus deren Sicht statt und haben Gewicht für sie. Sie sind aber nicht so schwerwiegend wie im Nachfolger.
Håkan Sandstedt: So ganz leicht zu messen ist das sicherlich nicht. Aber ein paar Dinge, die wirklich grausig sind, finden diesmal eher im Kopf statt. Die Perspektive der Täter nimmt hier eine wirklich anderen Stellenwert ein. Wir sind diesmal etwas mehr auf der Seite der Ermittler. Das ist eine Andere Art von Betroffenheit.
AK: Ihr habt auch diesmal wieder viel mit Polizisten gesprochen?
Kristina Palme: Ja, natürlich! Wobei uns das dennoch ein wenig zu kurz gekommen ist. Da waren einfach ständig irgendwelche Reisebeschränkungen und dann musstest Du wieder auf Online-Meetings ausweichen. Das ist einfach nicht dasselbe. Eines der Themen ist Kannibalismus. Und da muss ich sagen: Wir haben fast einen kompletten Tag mit einem finnischen Ermittler gesprochen. Und erst, als ich gesehen habe, welche körperliche Wirkung das noch 20 Jahre später auf den hatte, habe ich das so mit dem Herzen verstanden, dass ich auch darüber schreiben konnte.
Håkan Sandstedt: Das unterstreiche ich voll und ganz. Der Mann hat sich gewunden, hatte sichtbare Schmerzen bei einigen Erinnerungen… Das muss man sehen, das muss man fühlen. Das bekommst Du online nicht so mit.
AK: Schweden war ja lange mit den Corona Einschränkungen sehr großzügig. Welche Auswirkungen hatte das für Euch?
Håkan Sandstedt: Das war kategorisch falsch und hat ganz operativ zu Reisebeschränkungen geführt, die uns zum Teil sehr geärgert haben. Sonst möchte ich da gar nicht mehr drüber sprechen.
Kristina Palme: Das war das bestimmende Thema. Ich will da auch nichts mehr zu sagen, was ich nicht schon gesagt habe. Ich bin froh, dass unser aktueller Fall im Jahr 2004 spielt, wo man keine Masken tragen musste. Ich hätte es nicht ertragen, das Thema noch in die Handlung einbauen zu müssen.
AK: Klare Worte. 2004 … Ihr habt die Geschichte des Jahres 2001 aus dem ersten Teil weiter erzählt?
Håkan Sandstedt: Das Buch ist vollkommen eigenständig und du kannst es lesen ohne das erste zu kennen. Aber natürlich: Die Figuren kennen wir zum Teil schon aus Die Toten einer Nacht – So soll es ja auch sein. Aber die entwickeln sich weiter und das Team entwickelt sich auch weiter.
Kristina Palme: Entwickelt sich vor allem zu einem Team, muss man ja sagen. Da kommen ein paar neue Leute dazu – aber auch ein paar neue Komponenten, die wir für den kommenden Fall brauchen, der in 2005 spielen wird. Wir tasten uns also langsam an die Gegenwart.
AK: Eure Hauptfigur wurde von vielen Lesern als schwierig eingestuft, weil sie keine typische Sympathieträgerin ist.
Håkan Sandstedt: Das hätte ich alleine so nicht schreiben können. Ich bin froh, dass wir das gemeinsam gemacht haben, denn ich hätte eventuell ein paar Kanten von Stina abgefeilt.
Kristina Palme: Das war so. Und das wäre schade gewesen. Stina hat ein paar sehr eigene Probleme, die ihren Job nicht leichter machen. In ihrem zweiten Coldcase wird das noch schwieriger für sie. Aber wir haben das ganz bewusst nicht weggefeilt. Dann wäre Stina nicht mehr die komplexe Figur, die sie ist. Wir bereuen nichts.
Die Autoren
Håkan Sandstedt war Leiter einer Lokalredaktion, bevor er Kristina Palme traf. Kristina Palme ist Deutsch-Schwedin und arbeitete zu dieser Zeit als Lehrerin und Schulpsychologin. Sie rief die Theater-Gruppe an ihrer Schule ins Leben, für die sie rund zehn Stücke verfasste, bevor Håkan Sandstedt ihr eine Zusammenarbeit vorschlug.
Sandstedt hatte als Journalist mehrere Jahre den Polizeibericht verfasst und immer wieder lange Interviews mit ehemaligen Kriminalbeamten geführt, die die Arbeit des Autorenduos prägen sollten. Nach Krimis unter einem gemeinsamen Pseudonym und diversen TV-Scripts entschieden die beiden, ihrer Jobs aufzugeben und sich vollumfänglich dem Schreiben zu widmen. Beide sind assoziierte Mitglieder des Autoren-Kollektivs. Keiner der beiden mag Weißwein.
2020 erschien in Deutschland ihr Coldcase-Debüt der besonderen Art: Die Toten einer Nacht
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